16. Sonntag nach Trinitatis

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Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.

2.Tim 1,7-10: 7 Denn Gott hat uns nicht gegeben den Geist der Furcht, sondern der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit. 8 Darum schäme dich nicht des Zeugnisses von unserm Herrn noch meiner, der ich sein Gefangener bin, sondern leide mit mir für das Evangelium in der Kraft Gottes. 9 Er hat uns selig gemacht und berufen mit einem heiligen Ruf, nicht nach unsern Werken, sondern nach seinem Ratschluss und nach der Gnade, die uns gegeben ist in Christus Jesus vor der Zeit der Welt, 10 jetzt aber offenbart ist durch die Erscheinung unseres Heilands Christus Jesus, der dem Tode die Macht genommen und das Leben und ein unvergängliches Wesen ans Licht gebracht hat durch das Evangelium.

Liebe Gemeinde!
Die Spinne Thekla war weit und breit für ihr schönes Netz berühmt. Spinnen wie Menschen kamen an ihren Wohnort, um sich das kunstvolle Gebilde anzusehen. Genau richtig war ihr Netz, nicht zu viele Fäden, nicht zu wenige. Praktisch, aber dabei wunderschön anzusehen, vor allem, wenn die Tauperlen darin glitzerten. Thekla arbeitete aber auch wirklich viel daran. Wenn ein Tier in ihre Netze flog, nahm sie sich zwar Zeit, sich daran zu stärken, aber dann ging es schnell wieder an die Arbeit, damit das Netz bald wieder ordentlich und schön war. Thekla baute ihr Netz auch immer wieder um, so dass es jeden Tag neu anzusehen war und nicht langweilig wurde. Mal biss sie hier einen überflüssigen Faden ab, mal webte sie woanders einen hinein. Eines Tages fand Thekla bei der Arbeit einen Faden, der senkrecht in die Höhe lief. „Was soll denn der Faden?“ fragte sie sich, „der sieht aber nicht gut aus. Und er ist überflüssig.“ Sie biss ihn entschlossen durch. Da sackte ihr ganzes Kunstwerk in sich zusammen, denn sie hatte den Faden durchgebissen, der alles hielt.
Was haben die Spinne Thekla und ihr Netz mit unserem Abschnitt zu tun? Nun, ich glaube, im Geist der Kraft und der Liebe und der Besonnenheit zu leben, ohne sich zu fürchten, das ist schon, ebenfalls wie ein schönes Netz, eine anspruchsvolle Kunst. Da steigen vor mir Bilder auf von ganz besonderen Menschen.
Beim Wort Kraft denke ich an Menschen, die sich morgens fröhlich aus dem Bett erheben, munter und mit Schwung ihre Arbeit angehen, ungeheuer viel wegschaffen und es sich auch nicht nehmen lassen, noch anderen zu helfen. Ich denke zum Beispiel an die Menschen, die sich Tag und Nacht in ihre Labors und Firmen vergraben haben, um Tests und Geräte für Corona zu entwickeln oder neue Erkenntnisse zu gewinnen. Beim Wort Liebe denke ich an Menschen, die achtsam sind gegenüber ihren Mitmenschen, die sich einsetzen für die Allgemeinheit, die in ihre Familie oder ihren Betrieb den Geist der Freundlichkeit, des Respekts und Zusammenhalts bringen. Ich denke zum Beispiel an Pflegende, die zur Zeit ungeheuer große Aufgaben haben und es dennoch schaffen, ihr zu Pflegenden nicht als Nummern, sondern als Menschen zu sehen und zu behandeln. Beim Wort Besonnenheit
denke ich an Menschen, die sachlich und fair im Diskutieren sind, die bei einem Konflikt auch die Interessen des anderen wahrnehmen, die nicht nur für sich selbst alles haben wollen, sondern die Güter gerecht verteilen wollen und die es deshalb auch schaffen, sich zu mäßigen, sei es beim Thema Wutanfälle oder beim Thema Konsum. Ich denke zum Beispiel an Menschen, die Leserbriefe schreiben, in denen sie uns alle daran erinnern, dass wir es mit einer für uns völlig neuen Lage zu tun haben und dass uns ein freundlicher, ruhiger Ton weiter bringen würde.
Jetzt besonders, aber zu allen Zeiten tut es gut, wenn Menschen sich nicht von Furcht leiten lassen, aber Kraft haben für ihre Aufgaben, Liebe haben für ihre Mitmenschen und Besonnenheit haben für ihre Entscheidungen. So zu leben, täte uns gut. Denn wer will schon von Furcht getrieben sein, an den eigenen Aufgaben verzweifeln, ein Egoist sein oder immer wieder Entscheidungen bereuen müssen?
Aber es ist eben auch eine Kunst, so zu leben. Manchmal sind wir eben schwach und müde, manchmal haben wir genug von den anderen und ihren Forderungen, manchmal können wir uns nicht beherrschen, und manchmal haben wir Angst – sowieso schon, aber zur Zeit vielleicht noch mehr. Ist das nicht eine Illusion, in Kraft, Liebe und Besonnenheit zu leben?
Lernen wir wieder etwas von der Spinne Thekla. Sie hat einen entscheidenden Fehler gemacht: Sie hat den Faden durchtrennt, der nach oben führte und alles hielt.
Auch wir haben so einen Faden, der nach oben führt und alles hält: unsere Verbindung zu Gott. Ohne diese Verbindung schaffen wir das mit Kraft, Liebe und Besonnenheit nicht. Mit dieser Verbindung haben wir entscheidende Hilfe dazu.
Zum einen: das unvergängliche Wesen, das Jesus uns durch seine Auferstehung offenbart hat. Die Auferstehung zeigt uns nämlich: Auch wenn wir sterblich sind, auch wenn alles vergeht, wir haben eine Hoffnung, die über dieses Leben hinaus reicht: dass wir bei Gott ans Ziel kommen und dann alles gut sein wird. Und das alles hängt nicht von unseren Taten ab, sondern ist ein Geschenk von Gott. Dies sagt uns: Wir müssen uns nicht so fürchten, denn Gott will, dass alles gut wird. Wir können mutig und kraftvoll unsere Aufgaben angehen. Wir müssen dabei keine Angst vor dem Versagen haben, die uns lähmt. Denn wir dürfen es immer wieder neu probieren, das Beste zu tun, und wenn wir auch Dinge falsch machen, will Gott doch alles zum Besten lenken. Wir können achtsam sein für unsere Mitmenschen und die Schöpfung, denn Gott sorgt dafür, dass unser Leben letztendlich gelingt. Also müssen wir uns nicht nur um uns selbst sorgen, sondern haben die Kraft, offen zu sein für andere, auch ihre Interessen wahrzunehmen und auch für sie zu sorgen, eben Liebe zu üben. Das alles kann uns auch helfen zur Besonnenheit, zur Fairness und Sachlichkeit, zur Sorgfalt in unseren Entscheidungen, denn wir müssen nicht raffen, hasten oder überstürzen, denn alles liegt bei Gott in guten Händen.
Die Verbindung zu diesem Gott, der in Jesus sein gutes Ziel für uns gezeigt hat, ist also eine Hilfe zu Kraft, Liebe und Besonnenheit. Einerseits, indem wir an ihn denken. Andererseit dürfen wir ihn auch um seinen heiligen Geist bitten. Denn Kraft, Liebe und Besonnenheit ist immer ein Geschenk von oben, nicht unsere eigene Leistung. So müssen wir nicht verzweifeln, wenn wir schwach und lustlos, auf uns selbst bedacht, unbeherrscht oder von Angst getrieben sind.  Sondern wir dürfen unsere Verbindung nach oben pflegen und hoffen: Gott wird uns helfen. Er wird uns die Kraft, Liebe und Besonnenheit geben, die wir brauchen, und er will uns helfen, damit uns alles zum Besten dient, was auch immer geschieht. Gott schenke uns, dass wir diese Verbindung nach oben immer spüren und schätzen und dass sie uns zur Hilfe wird im Leben und auf unserem Weg zu Gott. Amen.

Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.  

Guter Gott, Kraft, Liebe und Besonnenheit brauchen wir so nötig, um unseren Alltag und besondere Herausforderungen zu bewältigen. Schenke du sie uns. Stärke uns durch die Hoffnung, dass du stärker bist als der Tod und uns auch ewiges Leben schenken willst. Und so hilf du selbst uns, dass wir Tag für Tag unsere Aufgaben bewältigen, dass wir für andere achtsam sind und dass wir die richtigen Entscheidungen treffen. Denn bei dir sind wir ja in guten Händen. Amen.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen.