Juni - 1.So. n. Tinitatis

Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus und die Liebe Gottes und die Gemeinschaft des
heiligen Geistes sei mit euch allen! Amen.
Laßt uns in der Stille um den Segen des Wortes beten ... Amen.
Lk. 16,19-31: 19 Es war aber ein reicher Mann, der kleidete sich in Purpur und kostbares
Leinen und lebte alle Tage herrlich und in Freuden. 20 Ein Armer aber mit Namen Lazarus
lag vor seiner Tür, der war voll von Geschwüren 21 und begehrte sich zu sättigen von dem,
was von des Reichen Tisch fiel, doch kamen die Hunde und leckten an seinen Geschwüren.
22 Es begab sich aber, dass der Arme starb, und er wurde von den Engeln getragen in
Abrahams Schoß. Der Reiche aber starb auch und wurde begraben. 23 Als er nun in der
Hölle war, hob er seine Augen auf in seiner Qual und sah Abraham von ferne und Lazarus in
seinem Schoß. 24 Und er rief und sprach: Vater Abraham, erbarme dich meiner und sende
Lazarus, damit er die Spitze seines Fingers ins Wasser tauche und kühle meine Zunge; denn
ich leide Pein in dieser Flamme. 25 Abraham aber sprach: Gedenke, Kind, dass du dein
Gutes empfangen hast in deinem Leben, Lazarus dagegen hat Böses empfangen; nun wird er
hier getröstet, du aber leidest Pein. 26 Und in all dem besteht zwischen uns und euch eine
große Kluft, dass niemand, der von hier zu euch hinüberwill, dorthin kommen kann und
auch niemand von dort zu uns herüber. 27 Da sprach er: So bitte ich dich, Vater, dass du ihn
sendest in meines Vaters Haus; 28 denn ich habe noch fünf Brüder, die soll er warnen, damit
sie nicht auch kommen an diesen Ort der Qual. 29 Abraham aber sprach: Sie haben Mose
und die Propheten; die sollen sie hören. 30 Er aber sprach: Nein, Vater Abraham, sondern
wenn einer von den Toten zu ihnen ginge, so würden sie Buße tun. 31 Er sprach zu ihm:
Hören sie Mose und die Propheten nicht, so werden sie sich auch nicht überzeugen lassen,
wenn jemand von den Toten auferstünde.
Liebe Gemeinde!
Ab wann beginnt eigentlich Reichtum? Und wer gilt als arm? In unserer Zeit mit
Personalmangel, Inflation, Seuchen und Krieg stellt sich die Frage für manchen vielleicht
ganz neu. Bin ich reich? Bin ich arm? Es kommt wahrscheinlich darauf an, ob wir uns mit
den Eliten oder mit den Menschen ärmerer Länder vergleichen. Bin ich reich? Bin ich arm?
Nach dem Höfen unserer Geschichte folgt wahrscheinlich auf dem Fuß die nächste Frage:
Wo komme ich vor in dieser Geschichte?
In einem Buch fand ich dazu die Aussage: Auch wir gehören zu den Brüdern des Reichen!
Stimmt. Über deren finanzielle Verhältnisse wird nichts gesagt. Aber es wird klar, dass es
ihnen gut täte, Gottes Wort zu hören und gewarnt zu werden vor einem Leben, wie es der
reiche Mann geführt hat. Aber was ist eigentlich das Problem am Leben dieses reichen
Mannes?
Ist ein bisschen Lebensfreude verwerflich? Ist es schlimm, wenn man sich etwas gönnt?
Muss man Angst haben, wenn man glücklich und in Freuden lebt? Muss man ein mieses
Leben haben wie Lazarus, um später in der Ewigkeit eine Chance zu haben? Das wohl
kaum, schließlich hat Jesus selbst das Leben so genossen, dass ihn manche als „Fresser und
Weinsäufer“ beschimpft haben.
Worum es geht, zeigt vielleicht eher die folgende Geschichte: Jemand kommt zum Rabbi:
„Rebbe, ich verstehe das nicht: Kommt man zu einem Armen, der ist freundlich und hilft,
wo er kann. Kommt man aber zu einem Reichen, der sieht einen nicht mal. Was ist das bloß
mit dem Geld?“ Da sagt der Rabbi: „Tritt ans Fenster. Was siehst du?“ „Ich sehe eine Frau
mit einem Kind und einen Wagen, der zum Markt fährt.“ „Gut. Und jetzt tritt vor den
Spiegel! Was siehst du?“ „Nu, Rebbe, was werd' ich sehen? Mich selber.“ „Nun, siehst du:
Das Fenster ist aus Glas gemacht, und der Spiegel ist aus Glas gemacht. Man braucht bloß
ein bisschen Silber dahinter zu legen, schon sieht man nur noch sich selbst.“
Ja, darum geht es wohl: Was macht mein Reichtum oder mein Streben nach Reichtum aus
mir? Verstellt es mir den Blick für meine Mitmenschen? Sehe ich noch den Lazarus vor
meiner Haustüre? Oder schaue ich nur noch auf mich selbst? Ist Reichtum oder Geld das,
was mich prägt und beherrscht? Oder habe ich ein Auge für Gott und für den Nächsten?
Merken Sie etwas? Die Frage „Wie viel darf ich mir gönnen und wie viel nicht?“ führt uns
zum Denken an uns selbst, an unsere Bedürfnisse und Wünsche. Die Frage: „Ist da jemand,
der mich braucht, kann ich jemandem etwas Gutes tun?“ führt uns in eine andere Richtung.
Da schauen wir nämlich auf Gott und den Nächsten.
Ja, zugegeben, wir haben es schwer damit. Wir bekommen Tag für Tag in den Medien so
viel Leid aufgetischt, dass wir Gefahr laufen, abzustumpfen oder zu verzweifeln, weil wir
an alledem so wenig ändern können. Wo soll man da anfangen?
Mein Vater schrieb mir einen weisen Rat ins Poesiealbum: Der wichtigste Ort ist immer der,
an dem du dich gerade befindest. Die wichtigste Tat ist die, die du im Augenblick zu tun
vorhast, und der wichtigste Mensch ist der, der dir gerade gegenübersteht und dich braucht.
Wir müssen nicht die Welt retten. Aber wir können für die da sein, die uns begegnen oder
deren Schicksal uns am Herzen liegt.
Das ist eine gute Haltung, und die habe ich schon oft unter uns entdeckt, gerade in letzter
Zeit. Ich erinnere mich in der ersten Coronazeit an Anrufe, wo ich gefragt wurde: Kann ich
jemandem helfen, für jemanden Besorgungen machen? Ich denke an die Situation seit dem
Ukrainekrieg, wo man das Mitgefühl und den Blick für die Bedürftigen deutlich gespürt hat.
Da sind und waren viele Menschen bereit Wohnraum für Flüchtlinge zur Verfügung zu
stellen. Andere haben mit angepackt und beim Einrichten oder Renovieren geholfen. Andere
haben mit viel Elan ein Benefizkonzert organisiert. Die Liste derer, die Sachspenden
angeboten haben oder Geld gespendet haben, ist lang. Und viele beten immer wieder für die
Betroffenen.
In solchen Zeiten wird, finde ich, bei vielen die richtige Haltung sichtbar: Da sind
Menschen, die brauchen uns, und wir tun etwas für sie. Ebenso spürt man diese richtige
Haltung auch bei vielen anderen, die sich nicht nur in Akutfällen, sondern über Jahre
hinweg für andere einsetzen.
Fragen wir uns also nicht: „Wie viel darf ich mir gönnen und wie viel nicht?“ Sondern: „Ist
da jemand, der mich braucht, kann ich jemandem etwas Gutes tun?“
Das Interessante ist: Wir werden dadurch nicht ärmer, sondern reicher. In einer Geschichte
wird das gut beschrieben: Ein reicher Kaufmann konnte nie genug bekommen. Auf einer
seiner Reisen hörte er die verführerische Stimme: „Möchtest du reicher werden als alle
anderen?“ „Nichts ist mir lieber als das“, antwortete der Kaufmann, „was muss ich tun?“
„Du musst dein Herz dafür hergeben!“ Ohne Zögern gab er sein Herz und bekam dafür
einen Stein. So wurde er hart und reicher als alle Menschen, aber auch immer einsamer und
verlassener. Eines Tages begegnete ihm ein Weiser: „Warum bist du so traurig?“ Da erzählte
der reiche Kaufmann seine Geschichte. Der Weise tröstete ihn: „Du kannst wieder glücklich
werden, wenn du dein Geld an Arme verschenkst. Geh, suche Menschen in Krankheit,
Hunger und Not auf!“ Der Kaufmann folgte diesem Rat. Und mit jedem guten Wort und mit
jeder helfenden Tat schmolz langsam der Stein in seiner Brust, und er spürte wieder sein
Herz. Als er starb, war aus dem armen Reichen ein reicher Armer geworden.
Ja, wenn wir nicht auf uns schauen, sondern auf Gott und den Nächsten, dann gewinnen wir
schon hier auf der Erde: Gemeinschaft, Solidarität, Frieden, Zusammenhalt. Wir gewinnen
auch Mut, denn wir sind dann nicht mehr ängstlich um das Unsere besorgt, sondern tauchen
ein ins Leben. Das ist der Weg, den Gott uns führen will, bis wir an sein Ziel, ins ewige
Leben kommen. Lassen wir uns also von seinem Wort und den Menschen um uns herum
immer wieder aufrütteln, zu fragen: „Ist da jemand, der mich braucht, kann ich jemandem
etwas Gutes tun?“ Dazu schenke Gott uns seinen heiligen Geist.
Der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in
Christus Jesus. Amen.
Guter Gott, wenn du die Mitte unseres Lebens bist, dann können wir richtig handeln, dir
vertrauen und anderen Gutes tun. Dann sind wir nicht gleichgültig. Dann überhören oder
übersehen wir unsere Mitmenschen nicht. Und so bitten wir dich: Leite du uns durch deinen
heiligen Geist, damit wir deinen Weg der Lebe gehen. Amen.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille
geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns
unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in
Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und
die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der
heilige Geist. Amen