Liebe Gemeinde!
Frühstück bei Familie Trollinger. Der Vater in die Samstagszeitung vertieft. Frau Trollinger kam mit der Kaffeekanne herein, in der Hand ein Päckchen. „Die Post war schon da. Die Unterlagen für '7 Wochen ohne' sind gekommen.“ Alle bedienten sich, und Frau Trollinger warf einen Blick in das Kuvert. „7 Wochen ohne Stillstand – so heißt das Thema diesmal. Und als erstes geht es um das Ziel. Wollt ihr euch eigentlich ein Ziel setzen oder auf etwas verzichten in diesen 7 Wochen?“ „Ich nicht“, sagte Tochter Martina, „ich muss schon auf Nüsse und Schokolade verzichten, weil ich sie nicht vertrage. Das genügt mir.“ „Und ich verzichte auf ganz viel Freizeit, damit ich meine Gesellenprüfung besser als mein Kollege schaffe und in der Firma übernommen werde; dafür verzichte ich ja sogar auf die Freundschaft zu meinem Kollegen und helfe ihm nicht, wenn er Fragen hat“, erklärte Sohn Richard. Der Vater brummte hinter seiner Zeitung hervor: „Du weißt doch, dass ich aus Umweltgründen auf Fleisch verzichte. Ich finde, das genügt. Und überhaupt, wenn ich die Nachrichten so lese, dann denke ich, man muss das Leben genießen, so lange man noch kann, und sich nichts auferlegen.“ „Es soll ja auch gar nicht so sein, dass wir uns herumquälen“, meinte Frau Trollinger, „sondern eher darum, dass wir uns ein Ziel setzen. Mal etwas anders machen, damit wir die Welt anders sehen. Nicht aus Gesundheits- oder Arbeits- oder Umweltgründen, sondern um die Welt ein bisschen mehr in Gottes Licht zu sehen.“ Nachdenklich mampften die Trollingers vor sich hin. Richtig motiviert waren sie nicht, sich Ziele zu setzen.
Liebe Gemeinde, wie geht es Ihnen mit Themen wie Passions- und Fastenzeit? Ein Ziel suchen, mal auf etwas verzichten oder etwas anders machen? Vielleicht haben wir ja in Wirklichkeit ganz andere Probleme? Vielleicht müssen viele von uns aus wirtschaftlichen Gründen, aus Zeitgründen oder gesundheitlichen Gründen sowieso unfreiwillig verzichten oder sich umstellen. Vielleicht haben manche so viel Stress, dass das Motto „7 Wochen ohne Stillstand“ sie gar nicht anspricht. Vielleicht ist da wenig Lust, sich ein Ziel zu suchen in einer Zeit, in der man kaum die nächsten Tage planen kann. Umso interessanter, was bei 7“7 Wochen ohne“ der Bibeltext zum Thema Ziel ist. Es sind die Verse 1-5 aus dem 2. Kapitel im Jesajabuch: Jes. 2,1-5: 1 Dies ist das Wort, das Jesaja, der Sohn des Amoz, schaute über Juda und Jerusalem. 2 Es wird zur letzten Zeit der Berg, da des HERRN Haus ist, fest stehen, höher als alle Berge und über alle Hügel erhaben, und alle Heiden werden herzulaufen, 3 und viele Völker werden hingehen und sagen: Kommt, lasst uns hinaufgehen zum Berg des HERRN, zum Hause des Gottes Jakobs, dass er uns lehre seine Wege und wir wandeln auf seinen Steigen! Denn von Zion wird Weisung ausgehen und des HERRN Wort von Jerusalem. 4 Und er wird richten unter den Nationen und zurechtweisen viele Völker. Da werden sie ihre Schwerter zu Pflugscharen machen und ihre Spieße zu Sicheln. Denn es wird kein Volk wider das andere das Schwert erheben, und sie werden hinfort nicht mehr lernen, Krieg zu führen. 5 Kommt nun, ihr vom Hause Jakob, lasst uns wandeln im Licht des HERRN!
Liebe Gemeinde! Das war es, was der Prophet seinem Volk in Zeiten der Angst und Not versprach. Der Hebräer würde es mit dem Wort „Schalom“ zusammenfassen: Frieden, und zwar nicht nur Waffenstillstand, sondern echter, tiefer Friede. Und zwar deshalb, weil dann, wenn es so weit ist, alle auf Gott hören. Eine Welt, in der Menschen nichts von Krieg und Waffen wissen müssen, weil so etwas einfach nicht mehr vorkommt, nicht mehr vorkommen muss. Das ist ein wirklich schönes Ziel. Aber, das merken wir, es ist ein Ziel, das wir uns nicht vornehmen können. Mit etwas Glück und Anstrengung können wir uns selbst kontrollieren. Aber beim Nachbarn, im Großen wie im Kleinen, hört unsere Macht auf, und so ist Friede ein zerbrechliches Gut. Ja, wir sind bei diesem Ziel auf Gottes Hilfe angewiesen. Der Prophet verspricht sie. Und die Passionszeit erinnert uns: Die Strafe liegt auf Jesus, damit wir Frieden hätten. Ein Ziel also, das gut ist und uns von Gott geschenkt wird. Aber was hat das mit unseren Zielen zu tun, die wir uns im Leben, und vielleicht besonders in dieser Passionszeit vornehmen?
Nun, unsere menschlichen Ziele haben so ihre Problematik. Es ist oft anstrengend und unbequem, sie zu verfolgen. Manchmal gibt es Rückschläge. Manchmal fragen wir uns vielleicht, ob unser Ziel die Mühe wert ist.
Und menschliche Ziele können sich widersprechen. Manchmal kann nur einer von mehreren das Ziel erreichen, etwa in einem Sportwettkampf oder einem Bewerbungsverfahren. Und manchmal widersprechen Ziele auch einander. Wenn der eine ein blaues und der andere ein rotes Sofa fürs gemeinsame Zimmer will. Schon das sorgt oft für Konflikte. Aber noch schlimmer kommt es, das erleben wir ja gerade: wenn unter den Völkern die Vorstellungen von Recht und Sicherheit komplett unterschiedlich sind.
Offenbar tun wir Menschen uns oft schwer, die sinnvollsten und besten Ziele für uns zu finden. Und so ist es gut, dass unseren Zielen noch ein Ziel übergeordnet ist: Gottes großes Ziel. Es ist gut, wenn unsere Ziele sich an Gottes großem Ziel orientieren. Was hilft uns das?
Nun, wir wissen nicht, ob unsere kleinen menschlichen Ziele wirklich immer die Mühe wert sind. Aber wir dürfen vertrauen: Mit Gottes Hilfe werden wir an seinem großen Ziel ankommen, und alles wird seinen richtigen Gang gehen. Und das kann uns Mut und Kraft geben, wenn es anstrengend wird, die Ziele zu verfolgen, die wir als gut erkannt haben. Denn wir dürfen gewiss sein: Das Gute wird sich durchsetzen, eines Tages wird alles gut sein. Und alle unsere Wege oder auch Umwege führen dort hin, wenn wir uns nur an Gott halten, versuchen, seine Wege zu gehen und auf seine Liebe zu vertrauen.
Noch mehr: Wenn wir uns an dem großen Ziel Gottes orientieren, dann werden wir Geduld bekommen. Auch die Geduld dazu, unsere Ziele, wo es nötig ist, mit denen anderer in Beziehung zu setzen, aufeinander Rücksicht zunehmen und den Frieden zu suchen. Dann werden wir unsere Ziele nicht auf Kosten anderer durchsetzen, sondern auch die Ziele der anderen ernst nehmen. Wir werden uns auch keine Ziele vornehmen, die anderen schaden. Wir werden uns für das Gute einsetzen und nicht für uns selbst. Und wo das gelingt, fängt es schon an mit dem großen Ziel, das Gott uns schenken will: dem Schalom, dem Frieden.
Was hat das mit unserer Passionszeit zu tun? Schauen wir noch einmal auf Familie Trollinger. Die Mutter schaute noch einmal in das Kuvert. Dann fragte sie überrascht: „Wisst ihr, was der Bibeltext für das Thema Ziel ist? Einige Verse von Jesaja. Da geht es darum, dass überall Friede sein wird, weil alle Menschen auf Gott hören. Wunderschön!“ „Und das sollen wir jetzt schaffen?“, fragte der Vater. „Nein“, sagte die Mutter, „das schenkt uns Gott, und wir werden das Ziel auf alle Fälle erreichen, wenn wir ganz auf ihn vertrauen. Ich finde das toll. Es kommt nicht so sehr darauf an, dass wir tolle Ziele finden und sie dann erreichen, obwohl wir es sowieso gerade schwer haben. Es ist so, dass Gott uns ein Ziel schenkt und wir voller Hoffnung darauf zu leben können.“ „Das macht Mut“, sagte der Vater, „da bekomme ich doch Lust, mir Ziele zu setzen. Ich mag tatsächlich gerade nicht auf noch mehr verzichten. Aber ich habe eine Idee: Ich mache etwas Zusätzliches. Ab heute nehme ich mir jeden Tag eine Viertelstunde und bete um den Frieden in der Welt. Ich nehme mir Zeit und denke ausführlich an die Menschen, die vom Krieg betroffen sind, aber auch an die vielen kleinen Konflikte, die es in unserem Alltag oft gibt.“ „Gute Idee“, meinte Richard, „ich nehme mir auch etwas vor: Ich lerne weiterhin fleißig, aber ich baue zu meinem Kollegen nicht mehr so eine Konkurrenz auf. Und wenn er mich beim Lernen um Hilfe bittet, werde ich ihm helfen.“ Auch Tochter Martina hatte eine Idee: „Ich will mir bewusst machen, wie gut es mir geht. Ich will die Dankbarkeit üben. Ich glaube, dann fällt es mir leicht, auch ohne Nüsse und Schokolade zu leben, und ich habe ein paar Glücksmomente, die mir Kraft geben.“ Frau Trollinger war gerührt: „Schön, was euch alles eingefallen ist. Das sind doch gute Ziele, denke ich.“
Liebe Gemeinde, so haben wir vielleicht auf den ersten Blick tatsächlich gerade andere Probleme, als uns Ziele für die Passionszeit zu setzen . Auf den zweiten Blick sieht es anders aus, nämlich dann, wenn wir unsere Ziele nach dem großen Ziel ausrichten, das Gott uns schenkt: dem Schalom. Dann werden unsere Ziele das Gute und den Frieden fördern. Dazu schenke Gott uns seinen heiligen Geist. Amen.
Guter Gott, wir danken dir, dass du ein gutes Ziel für uns bereit hast: Du willst uns ein Leben schenken, wo echter Friede herrscht, weil alle auf dich hören. Wir bitten dich: Hilf, dass unsere Lebensziele deinem Willen entsprechen, dem Guten und dem Frieden dienen. Gib Frieden auch schon jetzt in unserer Welt. Schenke uns Menschen im Großen wie im Kleinen die Einsicht, dass Gewalt keine Lösung ist und gib deinen Geist zu Verständigung und Versöhnung. Amen.
Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.
Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen