2. Advent

Ps. 80,2-3,19-20: 2 Du Hirte Israels, höre, / der du Josef hütest wie Schafe! Erscheine, der du thronst über den Cherubim, 3 vor Ephraim, Benjamin und Manasse! Erwecke deine Kraft und komm uns zu Hilfe! 19 So wollen wir nicht von dir weichen.  Lass uns leben, so wollen wir deinen Namen anrufen. 20 Herr, Gott Zebaoth, tröste uns wieder; lass leuchten dein Antlitz, so genesen wir.

 

Liebe Gemeinde!

„Mist, jetzt bin ich geblitzt worden“, schimpfte Herr Rosig. Sein Kollege, der mit ihm in Fahrgemeinschaft zum Büro fuhr, sagte nur: „Das habe ich dir doch schon oft gesagt, dass sie hier blitzen.“ Gleich wollte sich Herr Rosig auf den Schrecken einen Cappuccino gönnen. Er ging in die Teeküche, begrüßte die Kollegin, die gerade in der Küche zugange war, stellte eine Tasse in den Kaffeeautomaten und drückte. Der Kaffee lief über. „Hilfe, der Kaffee läuft über“, rief Herr Rosig, „kannst du mir mal den Lappen bringen?“ Und seine Kollegin? Die sagte schnippisch: „Wie oft habe ich euch Männern schon gesagt, dass ihr auf die richtige Tassengröße achten müsst!“ Dann stöckelte sie auf ihren hohen Absätzen davon und ließ ihn mit der Sauerei alleine. Nach der Arbeit fuhr Herr Rosig seinen Kollegen heim und holte dann seine Tochter, um sie zum Sport zu fahren. „Lass uns kurz beim Modegeschäft Halt machen, ich muss noch einen Weihnachtspullover für Mama umtauschen, ich habe ihn zu klein gekauft. Sie braucht 40 statt 38.“ „Das habe ich dir doch gleich gesagt“. sagte seine Tochter, „und wir können nicht halten, ich muss zum Sport, ich komme sonst zu spät.“ Seufzend fuhr Herr Rosig seine Tochter zum Sport und machte später noch einmal den Umweg zum Modegeschäft. Als Herr Rosig heimkam, war großes Geschrei. Sein Jüngster war hingefallen und schrie, aber seine Frau sagte nur cool: „Ich habe dir ja gesagt, dass du nicht auf dem Flur herumrennen sollst! Selber schuld!“  Erschöpft setzte sich Herr Rosig vor den Fernseher. Seine Frau kam dazu. Mal wieder Nachrichten über steigende Coronazahlen. „Kein Wunder“, schimpfte seine Frau, „wie oft haben Ärzte und Politiker die Menschen schon aufgefordert, sich impfen zu lassen, und jetzt haben wir den Salat. Ich frage mich, ob man die Ungeimpften überhaupt behandeln sollte.“ Herr Rosig saß ganz erschlagen da. Solche Sätze hatte er auch schon gedacht. Andererseits war dieses „Selber schuld, ich habe es dir doch schon gesagt“ auch ein ziemlich gnadenloser Satz, das hatte Herr Rosig heute den ganzen Tag am eigenen Leib gemerkt. Mit diesem Satz lassen Menschen andere oft im Regen stehen, statt zu helfen und zu lindern.

Und wie geht Gott mit unseren Bitten um Hilfe um? Da gibt es diesen 80. Psalm, er trägt in der Lutherbibel die Überschrift „Gebet für den zerstörten Weinstock Gottes.“ Seit langer Zeit hatten die Menschen in Israel das Gefühl: „Es geht nur noch bergab.“ Das Großreich unter David hatte ein Ende, immer wieder gab es größere und kleiner Kriege, und die Menschen sehnten sich danach, dass es endlich wieder einmal gut und friedlich zuginge und sie sicher leben konnten.

Liebe Gemeinde, diese Sehnsucht kennen wir vielleicht auch. Denn auch wir erleben manchmal nervige Tage, so wie es Herr Rosig erleben musste. Oder wir erfahren von Kriegen und Konflikten in unserem Land und der ganzen Welt, und wir bangen um den Frieden. Oder es nervt vielleicht auch manche, dass wir jetzt wieder den 2. Coronaadvent haben und wieder nicht unbeschwert durch die Weihnachtszeit gehen können. Manchmal würden wir gern genauso flehen wie in unserem Psalm: „Gott, du bist doch unser guter Hirte. Hilf uns doch endlich. Dann werden wir dich ehren und auf dich vertrauen. Wenn du auf uns schaust, dann wird es besser werden!“ Und was macht Gott wohl mit solchen Bitten? „Selber schuld, ich habe es dir ja schon oft gesagt“, sagt Gott das auch zu uns? Er hätte vielleicht manchen Grund dazu. Manche Tage sind ja unter anderem deshalb nervig, weil wir selbst Fehler machen oder mit den Fehlern anderer zu tun haben – also weil der Mensch ein unvollkommenes Wesen ist. Manche Konflikte in der Welt oder im Land beruhen unter anderem darauf, dass es der Menschheit nicht gelingt, die Güter der Welt gut und gerecht zu verteilen. Mancher Unfriede kommt aus menschlichem Starrsinn. Und dass wir Menschen ein Problem mit Corona haben, führen auch viele darauf zurück, dass der Mensch den Tieren Lebensraum nimmt und die Tiere und ihre Krankheiten deshalb näher rücken. Wendet sich Gott also ab von uns nach dem Motto: „Selber schuld, ich habe euch schon so oft zurechtgewiesen“?

Wie sieht Gottes Antwort aus? Nun, wir merken: Nicht alle Probleme werden gleich gelöst, wenn wir bitten. Aber es gibt eine Antwort Gottes.

Die Antwort Gottes ist ein kleines Kind. Menschlicher könnte es nicht sein, klein und hilflos. Aber in diesem Kind kommt Gott selbst zu uns Menschen. Ja, Gott bleibt nicht cool, wenn wir ihn um Hilfe bitten, er stöckelt nicht davon, er lässt uns nicht auflaufen und speist uns nicht ab mit einem: „Ich habe es dir schon so oft gesagt!“ Er kommt auf die Erde, lebt mit uns, nimmt Anteil an unserem Leben und ist sich nicht zu fein, auch Dinge wie Armut, Angst, Zorn, Trauer und Sterblichkeit zu erleben. Gott ist kein Wunschautomat, der uns ein sorgenfreies Leben schenkt. Aber er ist wirklich ein guter Hirte, einer, der zu seinen verlorenen Schafen kommt und sich ihrer annimmt. Wir dürfen vertrauen: Selbst in den dunkelsten Tälern ist Gott bei uns, und er fragt nicht, ob wir seine Liebe und Hilfe verdienen. Und das wiederum kann uns verändern. Schauen wir noch einmal auf Familie Rosig. Wie gewohnt hatte Familie Rosig, als dann auch die Tochter vom Sport zurückgekommen war, die Kerzen am Adventskranz angezündet, ein Lied gesungen, Tee getrunken und ein paar Lebkuchen gegessen. Und allmählich hatte sich in Herrn Rosig, obwohl sein Tag so nervig war, Adventsfriede ausgebreitet. Nun musste das Abendessen gemacht werden, und die Tochter blies die Kerzen aus – so heftig, dass Wachs über die Tischdecke lief. „Ich habe den Kindern schon so oft gesagt, dass sie vorsichtig sein sollen beim Auspusten“, dachte Herr Rosig. Aber die Worte kamen ihm nicht über die Lippen. Er spürte: „Gott kommt zu uns als guter Hirte. Das ist Gnade. Die kann ich weitergeben, und schon wird das Leben ein bisschen gnädiger und freundlicher.“ „Komm“, sagte er zu seiner Tochter, „halt mal den Adventskranz.“ Dann wechselte er die Tischdecke. Und seine Tochter sagte leise: „Danke, Papa, dass du nicht geschimpft hast.“

Ja, Gott unser guter Hirte, ist uns na, auch in den dunkelsten Tälern, aus Liebe und Gnade. Gott schenke uns, dass wir das annehmen und dass es uns Adventsfreude, Trost in traurigen Zeiten und Zuversicht für alle Tage gibt – und die Kraft, Gnade und Hilfe weiterzugeben. Amen.

 

 

Guter Gott, du bist unser guter Hirte. Du gehst mit uns über die Wiesen der Freude und des Glücks, aber auch durch die finsteren Täler von Leid und Angst. Du bist bei uns auf allen Wegen aus Liebe und Gnade, und auf deine Hilfe dürfen wir uns verlassen. Dafür danken wir dir und bitten dich: Hilf uns, deine Liebe zu spüren und die zu vertrauen. Lasse besonders alle Menschen im Leid deine Nähe, Liebe und Hilfe spüren. Und hilf uns, deine Liebe weiterzugeben, wo immer wir können. Amen.

 

Vater unser im Himmel. Geheiligt werde dein Name. Dein Reich komme. Dein Wille geschehe, wie im Himmel, so auf Erden. Unser tägliches Brot gib uns heute. Und vergib uns unsere Schuld, wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns nicht in Versuchung, sondern erlöse uns von dem Bösen. Denn dein ist das Reich und die Kraft und die Herrlichkeit in Ewigkeit. Amen.

 

Es segne und behüte dich der allmächtige und barmherzige Gott, der Vater, der Sohn und der heilige Geist. Amen